City Logistik als kluger Mix für alle
Lieferverkehr frei – aber nicht immer und nicht für jeden. Rund 60 Teilnehmende diskutierten auf dem schwäbischen Logistik Cluster Forum 2021 die Herausforderungen der City Logistik. Die Onlinediskussion mit zehn Experten richtete den Scheinwerfer auf den Ausgleich heterogener Interessen, die Kosten für Zusatzaufwand, den Wettbewerb um Flächen und das fehlende Bewusstsein für Logistik.
Mit rund 100 Mitgliedern versteht sich der Logistik Cluster Schwaben als Impulsgeber und Brücke für die Interessen von Logistik, Politik und Handel. In dieser Rolle brachte das diesjährige Forum die Beteiligten auf ein virtuelles Podium. Im Eröffnungsvortrag forderte Bayerns Verkehrsministerin Kerstin Schreyer, MdL eine ruhige Diskussion aller Verkehrsfragen rund um die Innenstadt, zu der auch das Thema City Logistik gehört. Ihr Appell an alle Beteiligten: „Wir sollten uns klug und vor allem gemeinsam aufstellen, damit Innenstädte ein Ort der Begegnung bleiben.“ Im heterogenen Miteinander von Anwohnern, Händlern, Logistikdienstleistern und Endkunden soll ein vom Ministerium in Auftrag gegebenes Güterverkehrskonzept bereits im April 2022 erste Zwischenergebnisse auch zum Thema City Logistik liefern und so Grundlagen für ein kluges Miteinander schaffen.
Die Diskussion mit Stefan Hohm, Dachser SE und Wolfgang Puff, Handelsverband Bayern (HBE) stellt fest: Die Ware muss in die Innenstadt. Puff betont: „Der Handel ist das Gesicht der Innenstädte“. Die urbanen Wohlfühloasen des Erlebniseinkaufs zu beliefern, deckt Logistikdienstleister Dachser mit einem Omnichannelkonzept ab. „Uns geht es dabei vor allem um einen koordinierten Ansatz“, betont Hohm, der ein „emission free concept“ per Fahrzeugmix, Microhub und Partner für Lastenradlieferung 2017 mit Testgebiet in Stuttgart startete, dafür den Bundespreis für Nachhaltige Urbane Logistik erhielt und derzeit in elf europäischen Städten ausrollt.
„Wir tun immer so, wie wenn es alles im Internet gäbe“, so Puff. „Trotzdem ist der Mensch als soziales Wesen auf die Kommunikation mit anderen angewiesen.“ Bei der Entwicklung vom Kolonialwarenhandel über Warenhäuser zu Einkaufszentren auf der grünen Wiese und schlussendlich eCommerce ist der Handel in den Innenstädten nicht tot. Im Gegenteil. Das Produktangebot wächst. Der Kunde will stöbern. Innenstädte punkten mit einer Kombination aus Event, Gastro und Handel. die Vielfalt ist eine Herausforderung für die Ver- und Entsorgung der Städte mit Waren.
In der Innenstadt setzen sich Kathrin Weitzel, N&K Bielefelder Wäsche GmbH, mit fünf Filialen für Heimtextilien und Hans-Edwin Hamberger, Galeria Augsburg, täglich mit engen Fenstern für Lieferungen in der Fußgängerzone auseinander. Bei Galeria sind die vier Stunden und der Platz für Lieferfahrzeuge zu knapp, um das Kaufhaus inklusive Lebensmittelabteilung und Restaurant mit Warenlieferungen zu versorgen. Für kleinere Läden bleibt bei langen Öffnungszeiten in der Früh vom Zeitfenster de facto eine Stunde übrig. „Eine gemeinsame Organisation über Micro-Hubs könnte sinnvoll sein“, meint Weitzel. Alternativen wie vorgezogenen Lieferzeiten kommentiert Hamberger: „Schwierig in der Umsetzung, weil nachts das Personal zur Entladung fehlt.“
Für die Kommunen besitzt City Logistik derzeit nicht oberste Priorität, auch wenn sie zu Lieferzeiten mit Lkw und Transportern die Fußgängerzone dominiert. Alternative Konzepte von der nächtlichen Belieferung bis zu Microhubs für Innenstadthandel oder Quartiere müssen vor allem mit wenig Verkehr- und Lärmbelastung funktionieren. Das Podium aus Raimund Seibold, Gründer der Boxbote Logistics GmbH mit 80 Kurierfahrern und digitalem Marktplatz für Händler, Kuno Neumeier, CEO des Logistikimmobilienberaters Logivest und Alessandro Cacciola, CEO der Andreas Schmid Group, der Stückgut mit eLastenrädern in Augsburg ausliefert stellen fest: Es müssen Flächen da sein, um tätig zu werden. Doch die Logistik konkurriert in den Städten mit renditestärkeren Assetklassen wie Wohnen, Büro oder Handel.
Innovative Konzepte wie Boxbote oder der Lastenraddienst von Andreas Schmid brauchen Microhubs und Ladeinfrastruktur im Zentrum. Der Bedarf ist da, doch fehlt die Zahlungsbereitschaft bei Händlern und ihren Endkunden. „Solange die Flächen zu teuer sind und das Baurecht nicht gesichert ist, verliert die Logistik“, weiß Kuno Neumeier und fordert die Kommunen zur Zusammenarbeit und Analyse der Logistikströme im Mix aus Verkehren für End- und Geschäftskunden auf.
Und was sagen die Kommunen dazu? „City Logistik tut noch nicht so weh, dass sie große Priorität bekommt, wird aber langfristig sicher ein Thema“, sagt Tim von Winning, Baubürgermeister der Stadt Ulm (Fachbereich Stadtentwicklung Bau und Umwelt) auf dem Podium mit dem Augsburger Wirtschaftsreferenten Dr. Wolfgang Hübschle. „Die Flächen im urbanen Raum sind knapp und die Investition in Logistik muss sich wie für die Händler auch für die Stadt auszahlen.“
Allerdings ist der Lieferverkehr bis 11 Uhr in der Fußgängerzone fast schon vorrangig. Auch er sieht die Konkurrenz durch knappe Flächen aber auch die Konkurrenz durch den Onlinehandel. Über die Bequemlichkeit z. B. gebündelte Lieferung der eingekauften Waren statt Auto in der Stadt. Was es auf jeden Fall braucht ist Mitwirkungsbereitschaft bei allen Beteiligten, ein Bewußtsein für den Wert der Logistik und langfristig auch Zahlungsbereitschaft bei den Händlern.